Tim Berresheim: Happy Fingers @ Kunst & Denker

Tendenziell paritätisch – Tim Berresheims Happy Fingers bei Kunst & Denker Contemporary

Bei der doppelten Eröffnung, der Ausstellung „Happy Fingers“ von Tim Berresheim einerseits und der neuen Räumlichkeiten der Editionsgalerie Kunst & Denker Contemporary, in der sie präsentiert wurde, haben seit dem 6. November 2015 Berresheims Bildwelten kommunikativen Charakter entfaltet. In seiner Kunst existieren das Digitale und das Physische als paritätische Elemente miteinander. Seine collagen-artigen Bilder koppeln detailverliebte Strahlkraft mit technischer Gewandtheit. Sie entstehen in einem Prozess, deren letzter Schritt in 3D-Rendering Programmen ausgearbeitet wird und eröffnen uns eine Welt jenseits des eindeutigen Signets und der überholten Grenzziehung zwischen Analogem und Digitalem.

Zwei Lieblingswörter hat Tim Berresheim, der interessante Typ, der tätowiert und mit Schiebermütze  an diesem Abend vor sich her grinst: Paritätisch und tendenziell. Er verwendet sie im Gespräch über seine Kunst gern. Als Künstler strahlt er eine angenehme Mischung aus starker Präsenz und bescheidener Zurückhaltung aus, erträgt die Lobeshymnen gelassen und scheint sich in der persönlichen Atmosphäre der „Kunst & Denker“ wohlzufühlen. Es wird geschmunzelt, gelacht und diskutiert. Der Abend der Eröffnung entwickelt sich zu einem Gute-Laune-Kunsterlebnis mit hohem Kommunikationsfaktor, was nicht zuletzt an dem Ansatz der Galerie und Editionsgalerie liegt, sich erschwinglicher Kunstformen zu widmen und familienfreundliche Kunstbetrachtung möglich zu machen.

Die Editionen „B-B-Baby (You ain’t seen nothing yet)“, oder “Heard but never seen“, die anlässlich der ersten Ausstellung bei Kunst & Denker Contemporary erscheinen, gibt es in einer Version mit und in einer ohne 3D-Brille zu betrachten. Haare, Münder, Handschuhe und Pflaster tanzen vor unseren Augen mit typografischen Elementen. Besonders das riesige Wallpaper entflieht durch seine kryptische Lesart und den Reichtum der Elemente, dem Dekorativen und fesselt den Blick. Im Gespräch enthüllt Tim für THE DORF seine künstlerische Sicht auf die eigene Arbeit und ihre Präsentation. Die Tatsache, der erste zu sein, der die Galerieräume für die Schau seiner Kunst nutzen kann, erfüllt ihn dabei mit Dankbarkeit, „dafür, dass ich eingeladen worden bin und dass man mir quasi carte blanche gegeben hat. Kunst & Denker Contemporary ist ja in erster Linie eine Editionsfirma und wir haben da, glaube ich, etwas gemacht, was tendenziell eher einer Ausstellung gleicht und ich bedanke mich dafür, dass ich das machen konnte.“

Man kann von einem „Ausstellungserlebnis“ sprechen, das mit einer, eigens für den Blick hinter die Kunstentstehung entwickelten App, aufwartete. Bereitwillig entmystifiziert Berresheim seinen Gestaltungsprozess. Das Thema „Neue Medien“ und deren Möglichkeiten ist im Moment in aller Munde und hält längst Einzug in die Museen der Stadt. Berresheim erzählt wie er den Zugang zur Computertechnik fand und sie für seine Bilder nutzt: „Ich war einfach immer computeraffin, Mathematik leuchtet mir irgendwie ein. Dass ich den Computer aber in Bezug auf neue Medien benutze, ist nicht exklusiv, sondern da finden sich ja noch starke analoge Verhaftungen, nach hinten gerichtete Produktionsmechanismen. Das ist mir wichtig, dass es nicht um einen Bruch geht, sondern das man sich anschaut „Was haben wir denn da so an Material und Bildeffekten und wie können wir jetzt weitermachen? Und der Computer gibt eben, wenn es um das Weitermachen geht, sehr viel Freiheit und Raum zum claimen.“

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Den Ausgangspunkt seiner Arbeit formuliert er dabei zunächst sprachlich: „Ich bin – obwohl man das vielleicht meinen könnte – kein sehr visueller Typ und bei Produktionen gehe ich eher sprachlich ran. Ich sehe ein Problem und mache dann so „feldmarschallmäßig“ einen Plan, der verfolgt wird und am Ende kommt dann die künstlerische Entscheidung zu sagen: „Ja, das ist ein Bild geworden, oder nicht. Ist es ein interessanter Bildaufbau? Ist die Dynamik gut? Und so weiter.“

Von seiner klassischen künstlerischen Ausbildung hat Tim Berresheim immerhin auch zwei Jahre bei Albert Oehlen an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. Für THE DORF richtet er das Wort an junge Leute, die – von ihm begeistert und vielleicht computeraffin wie er – Lust auf ein Kunststudium haben: „Es ist wahnsinnig schwierig. Die Haltung, die ich leider allzu populär da draußen dem Computer gegenüber sehe, ist eine nicht allzu positive für junge Menschen. Wenn es um Bildproduktionen mit dem Computer geht, gibt es eine große Kapitulationserklärung, in der gesagt wird „wir können nicht mithalten, mit den anderen Disziplinen, wie der Film- oder Spieleindustrie usw. Das heißt, es wird gar kein modus operandi erfunden, wie Kunst einen Unterschied markieren kann. Deswegen würde ich wahrscheinlich, wenn ich Bock hätte auf Computer, direkt in die Werbung oder in die Spieleindustrie gehen, oder zum Film. Aber nicht an eine Kunstakademie. Ich erlebe die Kunstakademien und die Lehrveranstaltungen  als sehr „heute-feindlich“, deshalb weiß ich nicht, ob ich einem jungen Menschen, dieses Tal der Tränen wünschen sollte.“

Diese Heutefeindlichkeit haftet seiner Kunst in keinem Falle an, Berresheim hat den Weg längst über eindimensionale Techniken der Bildenden Kunst hinaus gewagt: In der Ausstellung „Happy Fingers“ gab es außer technischer Tricks seiner vielschichtigen 3D-Bilder, auch Vinylplatten. Beim Studium seiner Vita merkt man: Seine Diskographie ist fast so lang wie die Liste seiner realisierten Ausstellungen. Sieht so aus, als würde er versuchen, die Balance zwischen Musik und Bildender Kunst zu halten.

„Das liegt daran, dass es paritätisch verteilt ist, weil es lustgesteuert ist. Wenn ich keine Lust habe Bilder zu machen, mache ich Musik, das kommt dann ungefähr Hälfte-Hälfte vor. Bilder sind schon das, was mich am meisten antreibt und die Musikproduktion ist eben noch ein größeres spielerisches Element, als die Bildproduktion, die ja auch – wenn es um Software geht – spielerische Qualitäten hat.“

Kunst & Denker Contemporary
Rainer Kunst und Meike Denker machen ihren Namen zum Programm. Mit Kunst & Denker Contemporary legen sie Editionen auf und realisieren Kunstprojekte und Ausstellungen. Am 6. November 2015 öffneten sie ihre neuen Galerieräumen in der Florastraße 75. Die Galerie zeigt in den frisch umgebauten Räumlichkeiten im Innenhof einer ehemaligen Billettfabrik die erste Ausstellung „Happy Fingers“ des Künstlers Tim Berresheim. Kunst & Denker Contemporary realisiert Kunstprojekte und Ausstellungen, baut Sammlungen auf, fördert die Kooperation zwischen Galerien, Künstlern, Institutionen und Sammlern, verkauft und vermittelt Kunst und legt Editionen auf. Die exklusiven und fein kuratierten Editionen sind auch im Onlineshop auf www.kunstunddenker.com erhältlich.

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TIM BERRESHEIM: HAPPY FINGERS @ KUNST & DENKER CONTEMPORARY
6. NOVEMBER 2015 – 15. JANUAR 2016

Text: Teresa Schmidt-Meinecke
Fotos: Celine Al-Mosawi & Tim Berresheim
© THE DORF 2015

Kunst & Denker Contemporary

Florastraße 75
40217 Düsseldorf

Öffnungszeiten

Mo. – Fr. 09:00 – 16.00 Uhr nach Absprache

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