Gil Bronner

Name: Gil Bronner
Alter: 57
Gelernter Beruf: Property entrepreneur
Berufung: Art collector

Ausbildung: Degree in Business
Geburtsort: Düsseldorf
Stadtteil: Flingern
Website: www.philara.de
Social: Instagram

Meine eigene Unpünktlichkeit ist die Rebellion gegen die Pünktlichkeit meines Vaters

sagt Gil Bronner als er, minimal verspätet, zur Tür seiner Sammlung Philara hereinkommt. In einem unscheinbaren Hinterhof in der Flingerner Birkenstraße liegt die ehemalige Glasfabrik Lennarz, die der Immobilienentwickler kaufte und zwei Jahre lang aufwendig umbauen ließ. Eine 550 Quadratmeter große Skulpturenterrasse ist ebenso Teil des von Sieber Architekten renovierten Hauses, wie der Gastronomiebereich „Bulle Bistro“, der von der Bäckerei Bulle betrieben wird und in dem Frisches aus der Backstube und hausgebrautes Bulle Bier serviert werden. Das Herzstück der Sammlung bilden natürlich auf 1700 Quadratmetern Sammlungsfläche die Kunstwerke.

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Aktuelle Empfehlung: Ab Sonntag, den 30. August gibt es die neue Ausstellung „Shifting Entities“ von Leunora Salihu in der Sammlung Philara zu sehen. Besuchen könnt Ihr sie bis zum 25. Oktober in der Birkenstraße 47a in Düsseldorf-Flingern!

Herr Bronner, wie kamen Sie zu dem Gelände der Glasfabrik „Glas Lennarz“? Mir wurde dieses Gelände im Rahmen meiner Arbeit als Immobilienentwickler angeboten. Ich habe es dann erworben, vor allem, weil die Leitz-Fabrik in Reisholz (Anm. der Redaktion: Dort war die Sammlung Philara seit 2006 untergebracht, bis sie vergangenes Jahr umzog) relativ weit weg ist. Zuerst hatte ich mir die drei Mehrfamilienhäuser, die zu dem Gelände gehören, angesehen und fand sie in einem relativ schäbigen Zustand vor. Da dachte ich: „Das willst du nicht wirklich“. Dann bin auf die hintere Gleisanlage rausgekommen und die Bahnschienen waren wild überwuchert mit Pflanzen. Das war so schön, dass ich dieses Stück urbane Idylle in Düsseldorf erwerben musste.

Welche architektonischen Eigenheiten haben Sie erhalten? Diesen Blick auf die Schienen und die Rankengewächse habe ich erhalten. Dort, wo jetzt das Fenster ist, war früher ein rotes Rollgitter, durch das die Züge hier hineinfuhren. Die Krananlage haben wir nicht zuletzt aus praktischen Gründen ebenfalls erhalten.

Welche Renovierungsarbeiten haben Sie durchführen lassen? Das war eine Gratwanderung, Flächen zu schaffen, die wir museal bespielen können und zugleich den industriellen Charakter zu bewahren, ohne ihn zu sehr zu akzentuieren. Wir haben neue Dächer eingezogen und so die zwei Etagen geteilt. Außerdem haben wir natürlich museumsübliche Medien eingebracht: Licht, Videoüberwachung und eine ganze Menge Leitungen, sowie eine Bodenheizung und einen neuen Boden.

Weshalb haben Sie sich entschlossen, Ihre Sammlung in Düsseldorf auszustellen? Ich bin Düsseldorfer, bin hier geboren und aufgewachsen. Ich habe mein Geschäft hier, lebe hier. Das war keine Frage, die sich je gestellt hat.

Haben Sie jemals überlegt, aus Düsseldorf wegzugehen? Ja, die Frage stellt sich immer wieder. Je später im Leben sie sich stellt, desto unwahrscheinlicher wird es, dass ich weggehe. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich wahrscheinlich in New York leben.

Warum New York? Weil ich mich mit der Stadt gut identifizieren kann. Ich mag die Kultur dort und die Lebenseinstellung der Leute. Aber vielleicht ist das auch nur eine Mär. Ich fühle mich in Düsseldorf jedenfalls sehr wohl.

Sie haben in den letzten 20 Jahren etwa 1500 Kunstwerke erstanden, darunter viele von jungen Künstlern der Kunstakademie. Wie wählen Sie die Künstler aus, die Sie fördern? Man muss da, meiner Meinung nach, differenzieren. Klar kann man es als eine Förderung sehen, wenn man die Werke junger Künstler kauft, aber ich sehe das eher als ein gleichwertiges Geschäft. Als Förderung sehe ich das Austauschprogramm, das wir mit der Kunststiftung NRW zusammen betreiben. Das ist komplett altruistisch gedacht und es wird keine Gegenleistung erwartet. Also: Der Kauf von junger Kunst ist für mich keine Förderung.

Okay, anders gefragt: Womit kann Kunst Sie beeindrucken? Ist das eine emotionale Entscheidung oder eine rationale? Das ist eine Kombination aus beidem. Man kann nach meinem Dafürhalten kein Schema lernen, nach dem man Kunst wertschätzen kann. Man kann nicht in einen Unterricht gehen und lernen, wenn ein Bild so oder so gemalt ist, dann ist es gut. Man muss sich das selbst erarbeiten. Es braucht Zeit, das Auge zu schulen und Qualität zu erkennen.

Wo finden Sie neue Kunstwerke oder Künstler? Wir leben in einem unglaublich tollen Ort, was Ausstellungen für zeitgenössische Kunst angeht. Da wären das KIT, der Kunstverein oder die Kunsthalle in Düsseldorf oder Sammlungen und Museen in Köln, Duisburg, Leverkusen oder Krefeld die auch sehr gute, junge Positionen zeigen. Wir haben eine unglaubliche Fülle zeitgenössischer Kunst, die man hier sehen kann. Dazu noch die Messen und Rundgänge. Auch dort entdecke ich immer wieder Positionen, die ich für toll halte und die auch nachhaltig gut zu sein scheinen.

Haben Sie einmal einen jungen Künstler gesehen, der Sie sofort überzeugt hat, bei dem Sie dachten: Der wird groß? Ja, ich habe schon gelegentlich solche Momente gehabt. Aber natürlich ist das eine extrem verwegene Aussage. Die Faktoren sind wahnsinnig komplex und stark vom Glück abhängig. Andreas Schmitten wäre ein solches Beispiel. Seine Abschlussarbeit habe ich gesehen und dachte: „Wow, das ist richtig gut“. Kurz darauf war er bei einer Ausstellung von Tony Cragg dabei und hat seither eine tolle Karriere hingelegt. Aber man kann das so nicht auf andere übertragen und auf den ersten Blick erkennen schon gar nicht.

Was macht einen großen Künstler aus? Dass jemand über mindestens zwanzig Jahre ein gutes Oeuvre liefert und sich selbst immer wieder neu erfindet, ohne seinen Weg zu verlassen, dabei irgendwie erkennbar bleibt oder eine konstante Sprache behält. Deshalb halte ich nichts von Sammlern, die einen Hype um junge Künstler kreieren, nur um des schnöden Mammons willen. Ein schneller Hype ruiniert manchmal Karrieren eher, als dass er sie fördert. Für Kunst braucht man einfach einen etwas längeren Atem.

Welche anderen Sammler schätzen Sie? Harald Falkenberg, Christian Boros, Andreas Hölscher, Steffen Hildebrand. Es gibt so viele. Julia Stoschek macht das fantastisch. Das ist nicht mein spezielles Medium, aber sie ist eine großartige Sammlerin.

Wie hat das Internet unsere Art, mit Kunst umzugehen verändert? Diese Frage lässt sich ja auf das ganze Leben übertragen. Konkret ist es bei mir als Sammler so, dass ich manchmal Kunst als PDF angeboten bekomme und sie kaufe, ohne sie in Natura gesehen zu haben. Davon kann ich mich leider auch nicht ganz freisprechen, so sehr ich es möchte. Das ist ein ähnlicher Effekt wie bei der Mode, die heutzutage zunehmend im Online-Shop erworben wird. Allgemein hat sich die Informationsgeschwindigkeit erhöht. Man bekommt mehr Einladungen als jemals zuvor. Alle sind immer erreichbar und man wird ständig mit Eindrücken bombardiert. Auf die Kunst bezogen: Ideen werden nicht mehr zu Ende gedacht. Deshalb habe ich auch oft Probleme mit postdigitaler Kunst.

Warum genau? Ich finde, die Ideen sind sehr oft unausgegoren. Wenige Künstler setzen sich tiefgründig mit Politik auseinander.

Sollte Kunst politisch sein? Ich misse die Beschäftigung mit Politik in der Kunst. Ich wundere mich, dass die junge Kunst so wenig politisch ist. In meinen Augen schreit die aktuelle weltpolitische Lage geradezu danach, sich künstlerisch mit ihr auseinanderzusetzen. Vielleicht hat das auch mit dem Internet zu tun. Es ist alles so schnell und so viel Information, dass man die Geschehnisse gar nicht schnell genug verarbeiten kann.

Seit Donald Trump hat sich das aber doch geändert, oder? Im Ausland ja. In Deutschland ist die Kunst erschreckend politiklos. Ich führe das auf eine gewisse bohème Bequemlichkeit zurück. Ich sage nicht, dass es allen KünstlerInnen materiell gut geht, aber es geht ihnen meist nicht so schlecht, dass das Maß an Unzufriedenheit zu echter Gesellschaftskritik führen würde.

Gibt es auch Ausnahmen? Ja natürlich. Marcel Odenbach ist beispielsweise eine der angenehmen Ausnahmen. Ich mag intelligente Kunst. Ich mag es, wenn ein Werk eine Geschichte hat.

Letzte Worte? Die weiß ich tatsächlich schon. Ich bin ein sehr unpünktlicher Mensch. Deshalb würde ich um 15:00 zu meiner Beerdigung laden und um 15:20 erst den Sarg reintragen lassen. Für alle, die immer gesagt haben: „Der kommt noch zu spät zu seiner eigenen Beerdigung“ sollen also meine letzten Worte sein: „Liebe Grüße von Gil, er wollte Euch nicht enttäuschen“.

Wo verbringen Sie am allerliebsten einen gemütlichen Abend mit Freunden oder der Familie? Ich gehe sehr gerne ins Olio, das ist sehr praktisch, weil es so nah ist. Japanisch esse ich gerne im Yabase. Und mein Lieblingsgrieche ist Toxotis.

Welches Buch liegt aktuell auf Ihrem Nachttisch? „Die hässliche Fürstin“ von Lion Feuchtwanger.

Welchen Kinofilm haben Sie zuletzt gesehen? Das weiß ich gerade nicht, aber ich weiß, welchen ich als nächstes sehen will: Moonlight.

Aktuell läuft auf Ihrer Playlist/Ihrem Plattenspieler? Ich grabe häufig alte Sachen aus. Heute morgen zum Beispiel Slade.

Vielen Dank!

Text & Interview: Barbara Russ
* Das Interview führten wir 2017 für unsere erste Ausgabe von THE DORF THE MAG

Fotos: Sabrina Weniger
© THE DORF 2017

English version:

Name: Gil Bronner
Age: 54
Profession: Property entrepreneur
Vocation: Art collector

Professional education: Degree in Business
Place of birth: Düsseldorf
Borough: Flingern
Website: www.philara.de
Social: Instagram

“My own unpunctuality is my rebellion against my father’s punctuality”

says Gil Bronner when he walks through the door of his Philara Collection only slightly late. The former glass factory Lennarz that the property developer bought and rebuilt extensively over the course of two years lies in a shabby backyard off Birkenstraße. A sculpture terrace of 550 square meters will be
as much part of the building renovated by Sieber Architects as the restaurant Glas Lennarz where you can enjoy breakfast, lunch or simply a glass of wine. The heart of the collection are, of course, the works of art on display on 1700 square meters of exhibition space.

Mr Bronner, how did it come that you ended up with the premises of the glass factory ‘Glas Lennarz’? These premises were offered to me as part of my work as a property developer. Above all I bought it all because it was relatively far away from the Leitz factory in Reisholz (Editor’s note: where the Philara Collection had
been located since 2006 until it was moved last year). I first viewed the three apartment buildings that were part of the premises and I found them in a relatively shabby condition. I thought ‘That’s not really my thing’. Then I came out onto the railway tracks at the back and the tracks were wildly overgrown with creepers. That was such beautiful sight I simply had to buy this piece of urban idyll in Düsseldorf.

What are the architectural features that you conserved? I preserved this view to the tracks and the creepers. Where you see the window today, there was a red roller grill where the trains came in. We also kept the crane, last but not least for practical reasons.

What are the renovation works that were carried out? It was a balancing act – creating a place that we can use for museum purposes while maintaining its industrial character without accentuating this aspect too much. We installed new ceilings and partitioned the two storeys. In addition to that, we fitted the usual museum media: Lighting, video surveillance and a lot of cables as well as an underfloor heating and a new floor.

Why did you decide to exhibit your collection in Düsseldorf? I am a Düsseldorfer, I was born and grew up here. I have my business here, I live here. That went without saying.

Did you ever consider leaving Düsseldorf ? Yes, this question arises time and again. The later it arises in my life, the less it is likely that I leave. If I could choose, I would probably live in New York.

Why New York? Because I can identify with the city. I like the culture there and the New Yorkers’ attitude towards life. But maybe that is only a myth as well. Anyway, I enjoy living in Düsseldorf.

You bought some 1500 works of art in the last 20 years, many of them from young artists of the art academy. How do you choose the artists that you promote? In my opinion, this question should be differentiated carefully. It maybe considered as a promotion if you buy the works of young artists, but I rather see it as a deal that is mutually beneficial. However, the exchange program that we operate together with the Kunststiftung NRW is a promotion in my view. It has a completely altruistic intend and no compensation is expected. In short: For me, purchasing the works of young art is not promotion.

Okay, let’s put it this way: How can art impress you? Is it an emotional or a rational decision? It is a combination of both. In my opinion, you cannot learn a pattern of how to appreciate art. You cannot go to a seminar and learn that a painting is good if it is painted this way or the other. You must work that out for yourself. It takes time to train your eye and recognise quality.

Where do you find new works of art or artists? We live in an unbelievably marvellous place as far as exhibitions of contemporary art are concerned. There are the KIT, Kunstverein or Kunsthalle in Düsseldorf or collections and museums in Cologne, Duisburg, Leverkusen or Krefeld that also show very good, young points of view. We have an unbelievable variety of contemporary art that we can see here. In addition to that art fairs and the annual graduate shows. There I also see new positions time and again that I find amazing and that seem to have a long lasting appeal.

Did you ever see a young artist who immediately captivated you so much that you thought: This one will become a great artist? Yes, sometimes I have had such moments. But that is an extremely daring statement, of course. The factors are very, very complex and strongly depend on luck. Andreas Schmitten could be such an example. I saw his graduate work and thought: ‘Wow, that’s really great’. Shortly thereafter, he took part in an exhibition by Tony Cragg and has had a great career ever since. But you cannot generalise that, and you certainly can’t recognise it at first glance.

What makes a great artist? Somebody who delivers a good oeuvre for at least twenty years while reinventing himself time and again without leaving his way, and while remaining somehow recognisable and keeping a constant language.
Therefore I do not believe in collectors who create a hype around young artists only for the sake of financial gain. An early hype sometimes ruins careers rather than supporting them. In art, you simply need a fair degree of staying power.

Which other collectors do you appreciate? Harald Falkenberg, Christian Boros, Andreas Hölscher, Steffen Hildebrand. There are so many. Julia Stoschek does a very good job. That is not my special medium, but she is a great collector.

In which respect has the internet changed our way to deal with art? This question can be asked regarding our whole life. For me as a collector it is such that I am sometimes offered art as a PDF and I buy it without having seen it in real life. I cannot acquit myself of any of that, much as I want to. This is an effect similar to fashion that is nowadays often purchased in an online shop. The speed of information has increased in general. You get more invitations than ever before. Everybody is available at all times and you are constantly bombarded with new impressions. As far as art is concerned:
Ideas are no longer thought through properly. That is why I have often problems with post-digital art.

Why exactly? I think these are very often half-baked ideas. There are few artists who address politics profoundly.

Should art be political? I miss real engagement with politics in art. I am astonished that young artists are so unpolitical. In my view, the current geopolitical situation cries out for artistic confrontation. Maybe that has also something to do with the internet. Everything is so fast and there is so much information that you cannot digest
the events quickly enough.

But that has changed since Donald Trump, hasn’t it? In other countries – yes. In Germany art is shockingly free of politics. I think that is due to a certain bohemian laziness. I don’t claim that all artists are doing well materially, but they are not so poor that the level of dissatisfaction would lead to genuine social criticism.

Are there no exceptions? Yes, of course there are. Marcel Odenbach is one of the encouraging exceptions. I like intelligent art. I like it if a work of art has a history.

When will the café ‘Glas Lennarz’ in the Philara Collection open? We will open at Easter 2017. In addition, we are redesigning the terrace so that you can also eat outdoors.

And which events do you plan at the Philara Collection in the near future? The next exhibition will be Erika Hock, Thomas Grünfeld will follow
in September. We also have some ideas for events: Concerts, co-operations with Schauspielhaus and Tanzhaus NRW. Art films shall be shown here
as well — we have a lot of plans.

Last words? I have some, indeed. I am a very unpunctual person. Therefore I will invite to my funeral at 3 p.m. and have the coffin carried in at 3.20 p.m. For all those who always said: “He will be late even at his own funeral”, my last words will be: “Kind regards from Gil, he didn’t want to disappoint you”.

Where do you like to spend a cosy evening with friends or family? I like to go to Olio. That is very convenient because it is so close by. I like to eat Japanese dishes at Yabase. And my favourite Greek restaurant is Toxotis.

Which book is now lying on your bedside table? ‚The Ugly Duchess’ by Lion Feuchtwanger.

Which movie have you seen last? I don’t remember at the moment, but I know which one I want to see next: Moonlight.

What is now on your playlist/your record player? I often dig up old things. This morning it was Slade.

Thank you!

THE DORF • THE MAG is part of the #urbanana project by Tourismus NRW

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