Nika Fontaine „incognito“

„Normalerweise erzählen Ausstellungstexte über die Ausstellung selber oder den Künstler, beschreiben den Wert der Ausstellung, der Arbeiten, den ästhetischen und ökonomischen Wert. Der Leser erfährt so aber wenig über die Beweggründe, warum ein Galerist oder Kurator sich dazu entschlossen hat, mit gerade diesem Künstler zusammenzuarbeiten. Was der Leser eventuell nicht weiß ist, dass zwischen einem Künstler und seinem Galeristen eine besondere Beziehung existiert, die aufgeladen ist mit Gefühlen und Träumen, Erfolgen und Misserfolgen.“

Die Künstlerplattform wildpalms präsentiert am 16. März 2017 die Künstlerin Nika Fontaine in Düsseldorf. Jorge Sanguino von wildpalms erzählt uns aus seiner Sicht, was die besondere Beziehung zwischen Künstler und Kurator oder Galerist ausmacht und warum die Ausstellung „incognito“ in Düsseldorf so viel Bedeutung für die zeitgenössische Kunstszene, die Gesellschaft und die Stadt selbst hat.

Künstler und Galerist streben nach einem gemeinsamen Ziel: Bedingungen für die Produktion von Kunstwerken zu schaffen, die als kulturelle Symbole und ökonomische Transaktionen wertvoll sind. Im Mittelpunkt dieses Zieles steht das Leben des Künstlers. Anders als in den meisten Industrien basiert das Investment in der Kunst nicht auf Objekten, sondern Personen. Hierfür ist die Beziehung mit dem Künstler der Schlüssel zur kulturellen Bereicherung unserer Gesellschaft.

Dies ist das Kredo von wildpalms. Jeder Künstler ist eine wundervolle Erfahrung von ästhetischem Genuss, menschlicher Entdeckung, gemeinsamen Träumens, harter Arbeit und finanzieller Entscheidungen. Am 16. März eröffnet die Ausstellung „incognito“ der kanadischen Künstlerin Nika Fontaine. „incognito“ ist ein Korpus von Werken, an denen sie schon seit über zwei Jahren arbeitet. Diese Ausstellung ist für uns und die Künstlerin sehr bedeutend, da dies die Serie war, an der Nika arbeitete, als wir sie das erste Mal trafen. Dass wir diese Arbeiten nun ausstellen dürfen, ist uns eine Ehre und Vergnügen.

Es ist wie ein erstes Date. Jeder versucht sich, von seiner besten Seite zu zeigen und möchte, dass es gut verläuft, sodass aus diesem ersten Date eine langfristige Beziehung entsteht.

Es ist wichtig zu erzählen, wie wir Nika getroffen haben, um zu verstehen, weshalb die Ausstellung „incognito“ in Düsseldorf so viel Bedeutung für die zeitgenössische Kunstszene, die Gesellschaft und die Stadt selbst hat. Als wir in 2014 eine Ausstellung mit den Absolventen der Kunsthochschule Weißensee in Berlin vorbereiteten, hatten wir die Möglichkeit, mit einem sehr talentiertem Künstler zusammenzuarbeiten. Dieser lud uns in sein Künstleratelier ein. Diese Besuche sind ein sehr wichtiger Teil unserer Arbeit und einzigartige Erfahrungen. Künstler gewähren einen Einblick in ihre Arbeitsräume. Es ist wie ein erstes Date. Jeder versucht sich, von seiner besten Seite zu zeigen und möchte, dass es gut verläuft, sodass aus diesem ersten Date eine langfristige Beziehung entsteht.

Das Atelier war in einem großen Loft, das über zwei Etagen ging, in einem Gebäude, was dem Ende des 19. Jahrhunderts entstammte, mit hohen Decken und Doppelfenstern. Es war sehr großzügig geschnitten und beherbergte sechs Künstlerateliers. Einige der Künstler wohnten sogar dort. Kaum vorzustellen, wie viel Talent sich dort auf die einzelnen Quadratmeter konzentrierte. Berlin war – leider hat sich das schnell geändert – die Traumstadt für Künstler.

Am Ende unseres Besuchs, nahe der Eingangstür, entdeckten wir das Atelier von Nika Fontaine. Es war das letzte Studio, was wir an diesem Tag besuchten. Die Wände waren schwarz gestrichen und klassische Musik ertönte aus den Lautsprechern im Raum. Es war magisch. Ein besonderes Licht leuchtete aus dem Studio heraus, was allerdings nicht an den Lampen, sondern an der Malerei lag, wie sich herausstellte.

Die Wände waren bestückt mit großformatigen Arbeiten. Lippen, ein Zigarillo, Lippenstift, ein Chihuahua, der aus einer Handtasche pikte. Der Titel der Arbeit: „Femme Fatale.“ Klischees breiteten sich über die ganze Bildoberfläche aus, um bewundert zu werden. Auf der anderen Seite des Raumes, eine Schlange, ein Maschinengewehr, Grabsteine mit den Buchstaben “v”, “i”, “t”, “r”, “i”, “o”, “l”  Giftwarnungen. GEFAHR! Die strahlenden Farben waren kaum zu definieren, da Nikas Technik mit natürlichem und künstlichem Licht spielt.

Wir waren gefangen in unserer eigenen Verwirrung, in unseren eigenen Zweifeln. Wir waren berührt. Nika arbeitete an ihren ersten Werken der “incognito”-Serie. Und so entstand eine Konversation. Das Date war Liebe auf den ersten Blick. Jedes Mal, wenn wir mit Künstlern sprechen, fragen wir nach deren Motivation und Vision für deren Arbeit und Praxis. Aber letztendlich sind wir auf der Suche nach den Gründen für unsere Bewunderung und versuchen zu verstehen, wie die Kraft des ästhetisch Unbekannten auf und in uns wirkt.

Die Konversation war fließend und wir fanden viele gemeinsame Interessen, Sorgen und Wünsche. Etwas, was uns fehlt in der zeitgenössischen Kunst, ist die Auffassung, einen Künstler als jemanden zu betrachten, der die Möglichkeit hat, aus dem nichts Material entstehen zu lassen, das uns Bedeutung für unser Leben gibt. Dieses Leben vergeht sehr schnell und wir verbringen viel Zeit damit, bedeutungslose Aufgaben auszuführen oder als Konsumenten ultimative Produkte auf dem Markt zu finden.

Nika verkörpert die primäre Funktion der Künstlerrolle: ein Korpus von Werken aus Materialien und Bildern entstehen zu lassen, wodurch sie einen geistreichen und intelligenten Vorschlag für einen ästhetischen Sinn (des Lebens) bietet. Ihre Arbeiten basieren auf das Meistern von Materialien um künstlerische Formen, ähnlich wie die, die uns schon seit Jahrhunderten bereichert haben. Nika hat eine tiefe Bewunderung für architektonische Ornamente und barocke Rahmen. Sie strebt nach der gleichen Sinnlichkeit versponnen in feinen Textilien, der musikalischen Harmonie, den Farbfeldern der Avantgarde und der Stärke der Grundsteine gotischer Kathedralen.

Durch das Wiederentdecken vitaler Kräfte in Materialien und Formen, überschreitet sie stets normative Grenzen der Definition von Kunst. „incognito“ ist eine legitime Forschung der Frage, ob ein Kunstwerk Dekoration oder sogar unsichtbar werden kann, wenn es in den richtigen Kontext platziert wird. Was wird passieren, wenn „Botanic“, ein wunderschöner Dschungel von Glitzer und grüner Energie in den botanischen Gärten ausgestellt wird? Oder wenn „It’s A Goal“, ein Werk gefüllt mit Sportteamlogos, im Olympiastadium gezeigt wird? Gleiches gilt für „Femme Fatale“ und Luxuskaufhäuser. Werden sie als Kunstwerke verstanden oder bloß als Dekoration für Wände?

Nika strahlt immer eine innerliche positive Energie aus und betrachtet die Geschichte als eine Geschichte der Formen, geschrieben von einem menschlichen Geist, der stets nach Schönheit sucht. „incognito“ kreiert eine harmonische Beziehung mit allen anderen Objekten in unserer Welt, die eine Bedeutung für uns haben. Nika fragt offen: „Soll ein „Kunstobjekt“ eine Vormacht über andere schöne Objekte haben, lediglich weil es „Kunst“ ist? Nicht wirklich.“ antwortet Nika in der tolerantesten und sensibelsten Art und Weise.

So lernten wir Nika kennen. Ein Abend, dem viele andere folgten. Wir sind sehr stolz auf ihre Arbeiten und sehr stolz, solch künstlerische Qualität ausstellen zu dürfen. Diese Beziehung bereichert unser Leben und wir wollen diese Bereicherung mithilfe der Form einer Ausstellung teilen.

Ausstellung: „incognito“ by Nika Fontaine
Eröffnung: 16. März 2017 | um 19 Uhr
Ausstellungsdauer: 16. März – 16. April 2017
Adresse: Karl-Anton-Str. 16 | 40211 Düsseldorf

Text: Jorge Sanguino & Alexandra Meffert / wildpalms
Fotos: Nika Fontaine 
© THE DORF 2017

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